Eine unvergessliche Ankernacht

Wiedermal sagt der Wetterbericht einen Mistral-Ausläufer für den Samstag Abend vorher. Eh nur mit 17 Knoten laut Prognose, waren es tatsächlich 20-25 Knoten gar nicht schlimm, eigentlich. Wir liegen in der Cala Taulera, der Ankerbucht von Mahón, der Hauptstadt Menorcas. Unser Anker ist ordentlich eingefahren und knapp siebenfache Wassertiefe ist an Kette ausgebracht. Soweit so gut. Nur steht in spanischen, französischen und italienischen Lehrbüchern entweder nicht drin, wie man ankert oder es kümmert keinen.

 

Jedenfalls bei der ersten Böe treibt ein Spanier ab der geschätzte zweifache Wassertiefe an Ankerkette ausgebracht hatte. Wenigstens sieht er gleich ein dass das nix wird und tuckert dem Hafen entgegen. Außer seinen Ankernachbarn leicht zu touchieren ist weiter nix passiert, die Jacht war eh verlassen, denn die französischen Eigner waren im Restaurant am Dinieren.

 

Kurz darauf wird der Italiener hinter uns immer kleiner, denn er treibt dem Buchtausgang entgegen. Er war entgegen der Vorschrift im Fahrwasser vor Anker und hat darum keinen mehr hinter sich, den er „abschießen“ könnte. Auch er sieht gleich ein, dass Windstärke 6 nix für ihn ist und stampft unter Maschine von dannen.

 

Aber dann war da noch der Franzose unter amerikanischer Flagge mit Ziegenbart, Tattoo und schicker Grand Soleil-Jacht, der ebenfalls mitten in der Fahrrinne schnell noch vor Dunkel werden seinen Anker geworfen hat und ein bisschen Kette alibi-mäßig hinter her.


Inzwischen waren die meisten aufmerksamen Zeitgenossen auf der Hut. Die Fender waren ausgebracht, ein Haken zur Abwehr treibender Jachten bereitgelegt, die Tröte in Reichweite und natürlich das Funkgerät auf Kanal 16 eingeschaltet.


Gut so denn keine fünf Minuten später treibt auch der ziegenbärtige Franzose an uns vorbei. Ein Ankernachbar schreit ihm Warnungen rüber, ein anderer strahlt ihn mit seinem Suchscheinwerfer an und wir versuchen ihn über Funk aus seiner Kabine zu locken. Tatsächlich erscheint er auch kurz danach an Deck. Der ärmste ist leider ganz alleine unterwegs und muss ständig zwischen seiner Ankerwinde vorne und seinem Gashebel hinten hin und her rennen. Er versucht den Anker zu lichten gleichzeitig unter Motor mit vorwärts und rückwärts Fahrt den Klippen, den Ankernachbarn und den Bojen, die das Fahrwasser markieren auszuweichen. Beim Ausweichen von einer der Fahrwassertonnen kommt er aber zu spät zum Gaspedal mit dem Ergebnis, dass sich sein  Ankergeschirr an der Tonnenverankerung verfängt und sich hoffnungslos verheddert. Er gibt aber noch nicht auf und rennt weiterhin langsam abtreibend auf seinem Schiff vor und zurück. Irgend wann weiss er sich keinen Rat mehr und gibt einen Mayday- Ruf ab. Allerdings in gebrochenem Englisch mit französischem Accent ausserdem sagt er nicht wer er ist, noch wo er ist noch was sein Problem ist. Das ist wie bei der Rettung anzurufen, Hilfe zu schreien und wieder aufzulegen. Danach rennt er wieder an Deck auf und ab. Es meldet sich die Küstenwache und fragt auf spanisch nach, was das Problem sei. Der Verzweifelte hat aber keine Zeit mehr zum Funken, denn er muss immer noch wie von der Tarantel gestochen am Schiff auf und ab sprinten. Ein weiterer französischer Ankernachbar versucht dem armen Kerl zu helfen und gibt fälschlicherweise einen Pan-Pan Ruf ab. (Eigentlich hätte er einen Mayday-Relais Ruf abgeben sollen) Er versucht auf gebrochenem Englisch der Küstenwache das Problem zu erläutern, muss aber zuerst erklären, dass er nicht auch ein Problem hat (wegen des falschen Anrufs). Die Verwirrung kann erst gelöst werden, als der Typ von der Küstenwache auf französisch allerdings mit starkem spanischen Accent umsteigt.


Inzwischen haben sich zwei Bootseigner entschieden mit ihrem Beiboot und Außenborder dem hilfebedürftigen entgegen zu eilen. Sie verschwinden gemeinsam mit der abtreibenden Jacht hinter der Buchtausfahrt.

 

Eine Stunde später fällt uns ein kleines weißes Licht auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht auf, das vorher nicht da war. Wir wundern uns was es damit auf sich hat.

Dann kommt ein Funkspruch auf deutsch, eine weibliche ziemlich verängstigte Stimme ruft: Wir brauchen Hilfe! wir brauchen Hilfe! Weder ein Name, noch was das Problem ist, noch die Position. Da wir glauben, dass wir die einzigen weiteren deutschsprachigen in der Bucht sind, melden wir uns und fragen nach was das Problem ist.

 

Es stellt sich heraus, dass sie die Frau des mutigen Beiboothelfers ist, dem nachdem er dem Ziegenbärtigen Franzosen geholfen hat, der Motor abgestorben ist und nicht mehr anspringt. Er hat dann sein Beiboot zurückgelassen und ist auf den Klippen zurück in die Nähe der Ankerbucht geklettert um schreiend seine Frau zu bitten ihm per Funk Hilfe zukommen zu lassen. Er war auch für die neue Lichtquelle verantwortlich, die wir schon bemerkt hatten. Wir versuchen die Frau zu beruhigen, erklären ihr aber, dass der Wind für unser Beiboot ohne Außenborder nur mit Ruder ungünstig sei, dass wir aber auf englisch versuchen werden einen anderen Ankernachbarn zu bitten den Ehemann von den Klippen abzuholen. Gesagt getan. Worauf sich die us-amerikanische Jacht mit dem Namen Wasabi meldet und sich bereit erklärt ihr Beiboot zu Wasser zu lassen und den Schiffbrüchigen an der Klippe zu bergen.

 

Kurz darauf sieht man das Beiboot ablegen und der Mann mit dem Licht auf der Klippe wird aufgenommen. Nur fahren die beiden nicht wieder zurück sondern verschwinden Richtung Buchtausgang aus der Sicht der Ankerlieger.

Nun kommt auch noch ein verstörter Funkspruch der amerikanischen Frau, die nun ihrerseits von Sorgen um ihren Mann geplagt wird.


Es stellt sich heraus, dass die beiden Herren nur noch schnell das zweite Beiboot abgeholt haben und eine Viertel Stunde später waren beide wieder sicher bei ihren Frauen am Boot.


Sie konnten sogar noch berichten, dass es dem ziegenbärtigen gelungen ist ins freie Wasser zu gelangen, bevor er an einer Klippe hängen geblieben ist. Schlussendlich hat er nur sein Ankergeschirr verloren und konnte den Hafen anlaufen.

Auch die Küstenwache hat noch gemeldet, dass sie nicht mehr gebraucht werden und auf Stand-by gingen.


So ist nochmals alles gut gegangen und die ganze Geschichte war nur eine atemberaubend, spannende Abendunterhaltung.

Fazit: Wer solche Ankernachbarn hat braucht keine Feinde!

Die Ankerbucht Cala Taulera auf Menorca
Die Ankerbucht Cala Taulera auf Menorca

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Kommentare: 6
  • #1

    Helene (Mittwoch, 12 August 2015 09:47)

    Na das klingt ja wirklich nach einer spannenden Nacht. Scheinbar sind ungeschulte oder unfähige Nachbarn das größte Problem... kontrolliert da keiner ab und zu ob alle Vorschriften zum Ankern eingehalten werden? Wie windig sind denn so 20-25 Knoten wenn da doch so viel Chaos entsteht?

  • #2

    Vati (Mittwoch, 12 August 2015 20:03)

    das ist ja wie im Kino - man kann zuschauen wie die Leute untergehen.
    Schön langsam glaube ich dass der sicherste Ort auf hoher See ist - möglichst weit weg vom Land.

  • #3

    Vati (Mittwoch, 12 August 2015 20:07)

    In Dänemark ist es weit weniger aufregend - was kann ich berichten : das Aufregendste heute war dass ich eben ein Sackerl Schokorosinen auf einmal aufgegessen habe.
    LG
    Mami und Vati

  • #4

    Alexander (Freitag, 14 August 2015 16:32)

    Da scheinen sich einige zuviel zu zutrauen!
    Vielleicht auch einmal in sich gehen und Alles nochmals überdenken......wie gesagt, heute ist mein pessimistischer Tag.
    LG

  • #5

    Alexander (Freitag, 14 August 2015 16:34)

    Nachtrag: die Geschichte ist aber wirklich sehr spannend geschrieben; das zeigt wirklich Schreibetalent!
    LG

  • #6

    Wolfgang (Sonntag, 16 August 2015 21:00)

    Also 25 kn: ich würde sagen da stülpt es den Schirm um und man beginnt sich ein bisschen gegen den Wind zu lehnen.
    Kontrollieren tut niemand, wäre auch schwer.
    Danke für die Blumen. Irgend wie hatten wir Spaß am Schreiben dieses Artikels…
    Das mit dem Ankern ist so eine Sache. Es ist immer wenig Platz und sehr oft sind im Mittelmeer in der Nacht Flauten, drum werden viele halt nachlässig und nehmen das Ankern nicht richtig ernst.