Atlantik-Überquerung

Am 27. Oktober legen wir ab in Richtung neuer Welt. Der seit Wochen verfolgte Wetterbericht lässt auf tollen Nordwestwind für die ersten Tage und dann  konstanten Passatwind aus Ost für die Überquerung hoffen. Wie schon Kolumbus vor 500 Jahren segeln wir zuerst südlich bis man den 20. Breitengrad erreicht und ändert dann Kurs Richtung West-Süd-West um die gewünschte Destination Martinique zu erreichen. 

 

Täglich wird per Kurzwellenfunk der aktuelle Wetterbericht heruntergeladen, sodass immer klar ist was uns in den nächsten Tagen erwartet. Große Überraschungen bleiben uns erspart. Konstant wie wir es nicht für möglich gehalten hätten, weht es uns in den Rücken und in Richtung Amerika. 90% der Zeit hat es 14-18 Knoten Wind, was uns mit gesetztem Genua mit 5-6 Knoten Reisegeschwindigkeit weiterbefördert. Bei Starkwind wird das Vorsegel sukzessive eingerollt, bei Schwachwind wird der Blister (großes Ballonförmiges Segel) gesetzt. Interessanter Weise ist nicht der Starkwind problematisch sondern die Flaute, denn  dann schlägt das Segel wegen der starken Dünung gewaltig hin und her. Unser großes Genua reißt bei einer solchen Flaute ein und muss demnächst wieder zusammengeflickt werden.

 

Die erste Woche haben wir noch stark mit sogenannten Kreuzseen zu kämpfen. Alte Wellen die quer zum herrschenden Wind und Wellen einfallen.  Sie schütteln uns durch und lassen uns fluchen, wenn wir versuchen irgend etwas im Bootsinneren zu unternehmen. Wir werden vom Navigationshocker gehauen, unsanft von der Klo-muschel herunterkatapultiert oder unser Mittagessen macht sich selbstständig und schießt quer durch die Kabine.

Später während der Reise beruhigt sich die See einigermaßen und wir schaukeln gemütlich unserem Ziel entgegen.

 

Am Steuer verbringen wir sehr wenig Zeit, denn unsere Windfahne übernimmt ohne viel Aufmerksamkeit zu fordern die gesamte Steuerarbeit. Man muss zwar beim erstmaligen Einstellen dieser Windsteuerung geduldig sein und ein gutes Gleichgewicht zwischen Segelschwerpunkt und Steuerimpuls herstellen. Wenn das System aber einmal in Betrieb ist, kann man es tagelang mehr oder weniger machen lassen.

 

Während man da draußen ist, in der großen Weite, erlebt man die Dimensionen eigentlich nicht direkt. Abgesehen von einer gelegentlichen, sanften Riesendünung wirkt es nicht anders als wenn man irgend wo im Mittelmeer kein Land mehr in Sicht hat. Nur dass es einfach kein Ende nimmt. Man steuert den selben Kurs und wochenlang sieht man weder Schiff noch Land. Es ist einfach endlos. Himmel, Meer, Wellen, ein paar Seevögel, fliegende Fische und Seegras beherrschen diese gewaltige Fläche.  Nach einer Weile fühlt man sich ziemlich klein, unbedeutend und deplatziert.

 

Dennoch ist es mir nicht so ergangen, wie manchem meiner segelnden Vorbilder, die auf diesen großen Passagen spirituelle Erlebnisse hatten, sich selber näher gekommen sind durch die reiz-arme Umgebung oder sonst irgend wie durchgeknallt sind.

Was bleibt ist einfach die Erkenntnis, dass bei intensiver Beschäftigung mit einer Sache kein Hindernis unüberwindlich ist, auch kein Ozean. Wir sind am Steuer unseres eigenen Schicksals und sind frei zu entscheiden wohin die Fahrt geht. Das gibt einem Zuversicht und Selbstvertrauen. 

 

Irgend wann schrumpfen die verbleibenden Meilen immer mehr zusammen und nach 26 Tagen auf See ist Land in Sicht. Allerdings nicht in Form eines dunstigen Hügels, wie in den Piratenfilmen, sondern ein nächtliches Schimmern der unzähligen Lichter kündigt die nahende Insel an. Durch einen intensiven, üppigen Geruch wird man meilenweit vor Erreichen der Insel schon auf die tropische Vegetation vorbereitet.

 

Irgendwann, wenn man viel zu beschäftigt ist, seinen Weg durch die mit Riffen und Sandbänken gespickte Einfahrt zu bahnen, ist man mitten drin in der geschützten Bucht und legt in einer modernen Marina an. Die Zivilisation hat uns wieder. Entspannte, tropische Inseln warten darauf von uns entdeckt zu werden…

Fliegende Fische landen an Deck. Wir sind in ihr Reich eingedrungen.
Fliegende Fische landen an Deck. Wir sind in ihr Reich eingedrungen.
Segelreparatur; ein großes Genua ist nix für die Atlantikdünung...
Segelreparatur; ein großes Genua ist nix für die Atlantikdünung...
ausgedehnte Seegraswiesen
ausgedehnte Seegraswiesen
Butterfly; viel zu heikel für die unruhige See und unsere Windsteuerung; experimentiert wird trotzdem
Butterfly; viel zu heikel für die unruhige See und unsere Windsteuerung; experimentiert wird trotzdem
eigene Laugenweckerln, der Ströck ist einfach zu weit weg...
eigene Laugenweckerln, der Ströck ist einfach zu weit weg...
Der Blister: geliebt und gehasst; Wenn er sich füllt ist der "Geist aus der Flasche"!
Der Blister: geliebt und gehasst; Wenn er sich füllt ist der "Geist aus der Flasche"!

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Kommentare: 5
  • #1

    Helene (Mittwoch, 25 November 2015 09:36)

    Na also die erste Zeit klingt ja nicht sehr angenehm... wenn es einen sogar vom Klo runter haut. Autsch!
    Auf jeden Fall schön, dass ihr gut und heil angekommen seit. Ohne gröbere Probleme. Ich muss aber schon sagen, so richtig spannend klingt so lange am Meer auch nicht wirklich. Ich wäre da vor Langeweile sicher durchgeknallt :)
    Wobei die Passage mit den unüberwindlichen Hindernissen klingen dann doch nach einer kleinen spirituellen Erleuchtung.

  • #2

    Alexander (Mittwoch, 25 November 2015 10:04)

    Danke für den schönen Bericht.
    Es klingt schon durch, dass es doch auch eine erhebliche mentale Herausforderung ist durchzuhalten.
    Die Sache mit den verschiedenen Segeln durchschau ich nicht ganz; gibt es dazu keine Erfahrungsberichte?
    Hauptsache gut angekommen; bei der langen geplanten Reisezeit liegt der Fokus ohnedies eher bei Land und Leuten als bei Wind und Wellen.
    Kompliment zu soviel Ausdauer und liebe Grüße

  • #3

    Dani (Mittwoch, 25 November 2015 16:16)

    Endlich! Jeden morgen vorm ins Spital radeln hab ich den blog angesurft und gehofft ein Lebenszeichen zu finden. Kein Container der eure Kreise störte!!
    Gott sei Dank.
    Coole Leistung u i glaub so richtig langweilig is es auf einem Segelboot nie.
    Big Hugs und ein fettes Glas Rum auf euch
    Dani und die Wsp-followers

  • #4

    Vati (Mittwoch, 25 November 2015 18:10)

    Freuen und dass ihr gut angekommen seid - das mit den Segeln bitte noch einmal erklären - was ist ein Genua und warum ist es kaputt ?
    Sollen wir zu Weihnachten ein neues schenken - weil wirklich vertrauenserweckend klingt das ja nicht !!
    Wie lange braucht man von eurem Hafen nach St. Martin ?
    Vati/Mirko

  • #5

    Valerie Angermann (Montag, 07 Dezember 2015 19:30)

    An die"Weltensegler"!
    Auf Martinique liegt sicher kein Schnee, aber in Öesterreich auch nicht.
    Wir gratulieren Euch zum glücklichen, erfolgreichen Verlauf der bisherigen Reise und wünschen Euch eine entspannte, frohe Weihnachtszeit!
    Es grüßt die gesamte Familie Angermann vom Haus Samer.