Der Stamm der Kuna

Laut nautischem Reiseführer ist der Stamm einer der am ursprünglichsten lebenden Völker Amerikas. Während der Anreise über die Karibik fragen wir uns voller Vorfreude, was uns da erwarten wird. Wie sieht das Leben dieser Menschen aus? Wie lassen sich die traditionelle Lebensweise und die Einflüsse der modernen Welt unter einen Hut bringen?

 

Die ersten von uns besuchten, bewohnten Inseln in Nalunega und Wichubuala sind ziemlich ursprüngliche Dörfer. Die meisten Häuser sind mit Palmblättern gedeckt. Die Wände bestehen aus einem Flechtwerk aus Schlingpflanzen und Zuckerrohrstangen. Festgestampfte Erde bedeckt den Boden. Im Inneren bestehen die Häuser aus einem einzigen Raum. Die Kleidungsstücke sind mit  Kleiderbügeln an den Dielenbalken aufgehängt, denn in einem Schrank würden sie bei der hohen Feuchtigkeit schimmeln. Zwischen den Klamotten sind die Hängematten angebracht, die nicht nur in der Nacht zum schlafen verwendet werden, sondern auch am Tag zum gemütlichen lümmeln.

 

Durch das Dorf geht man auf engen Sandwegen.  Man kommt  an kleinen Häusern und Gärten mit Bananenstauden vorbei. Über all spielen Kinder. Alle Türen stehen weit offen und man kann bis in die hintersten Winkel der Häuser hinein schauen. Privatsphäre ist ein Fremdwort. Manchmal begegnet man einem Spaziergänger mit einem schön geschnitzten Stab. Es handelt sich um eine Art Polizist. Bei Verstößen gegen die Regeln des Zusammenlebens werden Strafen verhängt, die in einer Arbeit für das Gemeinwesen bestehen.

In der Mitte des Dorfes befindet sich eine überdimensionierte Hütte, der so genannte „Congresso“, einem Versammlungsraum, der ebenfalls aus einem einzelnen Raum besteht, in dessen Mitte drei Hängematten hängen. Rings herum sind harte Holzbänke aufgestellt. All abendlich versammeln sich hier abwechselnd die männlichen und weiblichen Dorfbewohner. In den drei Hängematten nehmen die „Sahilas“, eine Art Chef/Priester/Ältester Platz. Auf den Bänken lassen sich die Dorfbewohner nieder. Gebetsmühlenartig werden nun die mündlichen Überlieferungen rezitiert bzw. vorgesungen. Diese Gesänge beinhalten sämtliche Informationen über die Traditionen. Vom Glauben, der von einem innigen Verhältnis zur Natur geprägt ist über die Geschichte des Volkes bis zu handwerklichen Tätigkeiten und Techniken reicht die Palette. Leider haben diese Geschichten „Längen“ im Programm und die Versammelten inklusive der Sahilas in den Hängematten schlafen gelegentlich ein. Deshalb werden einige Leute beauftragt in unregelmäßigen Abständen kreischende Laute auszustoßen, um alle wieder aufzuwecken.

 

Traditionell schaut der Kuna-Alltag so aus, dass am frühen Morgen die Ulus die Einbäume ans Festland gepaddelt oder gesegelt werden. Dort werden die Felder bestellt, das Holz geschlagen oder gejagt. Das Gold das im Fluss vorkommt wird nicht angerührt, denn laut Aussage der Kunas kam jedes Mal wenn sie versucht haben, das Gold abzubauen, jemand um es Ihnen wegzunehmen. Aus dem Tropenholz werden zum Beispiel in drei Monaten Arbeit die Kanus herausgeschlagen und in Form gebracht. Am Mittag geht es zurück ins Dorf. Gelegentlich wird am Nachmittag etwas gefischt oder auf den vorgelagerten Inseln Kokosnüsse geerntet. Der Tag endet früh nach der Versammlung im Congresso. 

 

Das Festland wie auch die Inseln gehören der Gemeinschaft und werden den Bewohnern zur Nutzung überlassen. Bei Jagderfolg wird das erlegte Tier von der Dorfgemeinschaft gemeinsam zubereitet und verspeist.

Die Mädchen suchen sich schon sehr früh (ca. mit 13 Jahren) einen Mann aus, der nach der Hochzeit zur Frau und den Schwiegereltern zieht. Wenn eine Familie nur Söhne zur Welt bringt wird der Jüngste wie ein Mädchen aufgezogen. Diese Transvestiten kleiden und geben sich weiblich und umgeben sich scheinbar oft mit Kindern um ihre weibliche Rolle zu betonen. Homosexualität ist komplett akzeptiert und wird ohne Vorbehalte gelebt.

Die Apotheke der Kuna sind die Hügel des Festlandes. Es werden Kräuter, Rinden und Wurzeln zu Medikamenten verarbeitet. Bei der Anamnese stellt sich meist heraus, dass ein böser Geist im Spiel ist, der ausgetrieben werden muss. Die hölzerne Schutzfigur der Familie muss in der Hütte an einem günstigeren Platz aufgestellt, oder sie muss wenigstens  durch Zuflüstern besänftigt werden. Es gibt Heiler, die Knochenbrüche behandeln können, Psychologen und andere Spezialisten.

 

Kann dieses traditionelle Leben der Kuna zwar noch erahnt werden, haben sich doch inzwischen einige Änderungen in den Alltag eingeschlichen.

Der Tourismus ermöglicht es einigen Leuten ein Geldeinkommen zu erwirtschaften. Dadurch werden kolumbianische Händler auf kleinen Booten angelockt, die billige Dosennahrung, Plastikspielzeug und andere „moderne“ Errungenschaften in die abgelegenen Dörfer bringen. Die Plastikverpackungen landen dann einfach im Meer und verwüsten das windabwärts gelegene Ufer. Leider kommt der Plastikmüll in der Naturreligion (noch) nicht vor.

Gesundheitszentren sind in einigen Dörfern errichtet worden um eine moderne medizinische Versorgung zu ermöglichen. Daneben gibt es über all Schulen mit Lehrern von außerhalb. Spanisch ist im Begriff die traditionelle Kuna- Sprache zu verdrängen.

Seit wohlmeinende panamaische Politiker vor fünf Jahren jeder Familie eine Solarzelle geschenkt haben, gibt es in jedem Dorf eine rudimentäre Straßenbeleuchtung und vor allem jede Menge Handys und Satellitenfernseher. Die Auswirkungen die diese „Errungenschaften“ haben werden, sind noch nicht abzusehen, aber es ist zu befürchten, dass auch die Kuna in die Falle der Werbemaschinerie geraten und in den Konsumwahn getrieben werden.

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Kommentare: 2
  • #1

    Helene (Mittwoch, 30 März 2016 08:58)

    Sehr interessante Einblicke. Habt ihr das alles miterlebt oder erzählt bekommen/gelesen? Also z.B. so eine Versammlung?
    Schade natürlich, dass manche neue Errungenschaften scheinbar nicht unbedingt positiv sind.

  • #2

    Alexander (Freitag, 17 Juni 2016 22:32)

    Sehr interessant und gründlich recherchiert!
    Da seid ihr ja - scheint es - gerade noch rechtzeitig dort gewesen um zumindest eine Ahnung des traditionellen Lebens mitzubekommen.
    LG