Tonga

Nach unserer unkomfortablen Fahrt von Raiatea mit den vielen Windrehern und Regenböen sind wir froh in dem perfekt geschützten Naturhafen von Neiafu, dem Hauptort von Vavau der nödlichsten Inselgruppe Tongas angekommen zu sein. Da wir am späteren Nachmittag ankommen beschließen wir nicht mehr an diesem Tag einzuklarieren, sondern stattdessen die gelbe Quarantäneflagge zu setzen und nicht mehr von Bord zu gehen. Erst am nächsten morgen gehen wir wie vorgesehen an den groben, unser Boot gefährdenden Betonsteg. Dort werden wir von den Zoll- und Quarantäne-Beamten am Boot besucht. Gut gelaunt und in entspannter Atmosphäre sitzen wir bei Café und Mannerschnitten im Cockpit und füllen wieder einmal unsere Zettelwirtschaft aus. Danach sind wir für den Landgang freigegeben und können beginnen die Gegend zu erkunden. Nach dem Rückverlegen des Bootes an die Boje machen wir einen Spaziergang durchs Dorf. Neiafu wird von verschiedenen Seglern als nettes Dorf beschrieben, was wir nicht wirklich bestätigen können. Die frei laufenden Schweine die einem überall begegnen sind zwar herzig, aber die Behausungen und Geschäftsgebäude sind ähnlich lieblos aus Wellblech und Beton hergestellt wie so oft auf unserer bisherigen Reise und machen einen zerrütteten Eindruck. (Irgend wann gibts einen Blog über Wolfi’ s grundsätzliche Enttäuschung bezüglich der Baukultur dieser Welt). Auch die Leute begegnen einem nicht so offen und freundlich wie anders wo. Das wirft die Frage auf warum Tonga gerade „the friendly islands“ genannt wird. Die aufgesuchten Geschäfte sind die nächste, nicht gerade positive Überraschung. Regalreihen voller Plastik-Ramsch, Konservendosen und Snacks aller Art. Mehl gibt es in kleinen Plastiksäcken dazwischen Ameisenstraßen. Fettige Fleischbrocken in riesigen Portionen liegen in großen Tiefkühltruhen. Wie in einem mit Neuseeland assoziierten Land nicht anders zu erwarten, gibt es nur Toastbrot mit Schwammkonsistenz. Kurz uns vergeht beim Shoppen der Appetit und wir denken sehnsüchtig zurück an französisch Polynesien. Zum Glück gibt es da noch den Grünmarkt, auf dem wir uns tüchtig mit lokalem Gemüse und Obst versorgen können. Am Dorfrand hat sich ein kanadisches Pärchen niedergelassen und betreibt einen kleinen Feinkostladen. Der dort erstandene selbst gemachte Schinken ist ein weiterer Teil unserer Rettung.

Nach zwei Tagen im Dorfhafen geht es an die Erkundung des Archipels. Der erste Stop ist Port Morell. Eine wunderschöne Bucht mit Sandstrand und Urwaldumrandung. Wir finden ein paar tolle Muscheln am Strand und bestaunen am Abend Flughunde mit Batman-Silhouette. Leider lässt uns das Wetter im Stich und der Regen hört vier Tage lang nicht mehr auf. Wir bleiben in der Bucht bis Martina und Florian von der Esperanza, schwer durchgeschüttelt, aus Niue ankommen.

Gemeinsam fahren wir dann weiter nach Matamaka, einem idyllischen Dorf mit Erdpfad als Hauptstraße und Murmelspielenden Kindern am Dorfplatz unterm Banjan-Baum. Florian lernt beim Lauftraining David kennen, der von seinem „Tongan Feast“ berichtet, das am nächsten Tag in einer nahe gelegenen Bucht stattfinden soll.

Uns gefällt die Idee und wir finden uns am nächsten Tag bei David und seiner Familie ein. Wir überreden ihn auf der Nachbarinsel ein Schwein zu holen und das Festessen um ein Spanferkel zu ergänzen. Wir verbringen einen gelungenen Abend mit leckeren, lokalen Köstlichkeiten. Nach dem Essen singen uns die Familie sowie Florian einige Lieder vor. Wir erfahren, dass die Reste des Festessens noch am selben Abend ins Nachbardorf gefahren werden und dort unter allen verteilt werden. Außerdem erzählt uns David dass die drei anwesenden Töchter nicht seinen ganzen Nachwuchs darstellen. In Summe haben unsere Wirte elf Kinder und zwei Enkel. Schockierender Weise ist David erst 43 Jahre alt, gerade einmal 2 Jahre älter als Wolfi. Diesen Vorsprung wird Wolfi wahrscheinlich nicht mehr einholen können!

Auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht ist der hiesige Korallengarten, das angeblich schönste Schnorchelgebiet der Inselgruppe. Wir erkunden es am nächsten Tag. Es ist tatsächlich nett, hat aber nichts zu bieten, was wir nicht schon gesehen hätten. Es soll das einzige schöne Schnorchelerlebnis in Tonga für uns bleiben.

An dieser Stelle verabschieden wir uns schon wieder von Martina und Floria. Die erwarten ihren Sohn in Fiji und müssen deshalb schon weiter. Wir verlegen uns auf die östliche Seite des Archipels nach Tapana. In dieser schön geschützten Bucht lernen wir zwei interessante Seglerpaare kennen.

Sherry und Larry sind schon ein bisschen in die Jahre gekommen. Sie haben die USA in Kathis Geburtsjahr 1983 verlassen und leben inzwischen seit 30 Jahren in Tonga. 20 Jahre lang haben sie auf einem Hausfloss gewohnt, das immer noch in der Bucht schwimmt. Sie nehmen uns in ihrem Mini-Pick-Up Truck mit ins Dorf. Auf dem Weg bleiben wir bei einem verlassenen Haus stehen, wo Sherry ihre Waschmaschine eingestellt hat. Nächste Station ist der Garten von Freunden, wo ein Hochseekontainer ihre Habseligkeiten beherbergt. Zum Schluss bleiben wir auch noch bei einem Garten von anderen Freunden stehen, wo wir Bananen und Papayas ernten.

Kim und Jim das zweite in der Bucht residierende Paar ist erst seit einem Jahr da. Sie haben Neuseeland verlassen, da der Bürokratiewahn dort ungeahnte Ausmaße angenommen zu haben scheint und Arbeiten und Wohnen am Boot sehr kompliziert geworden ist. Leider ist inzwischen auch in Tonga nichts mehr einfach. Sie müssten ihr Boot um viele Tausend Euro versteuern bevor sie ein Business als Segelmacherin und Bojenfeldbetreiber/Bootsaufpasser aufmachen können. Die beiden können einem leid tun, sind frustriert und wissen nicht wie es weitergehen soll.

Nach ein paar gemütlichen Tagen in Tapana mit „Socialisen“, Spazieren und Boot warten brechen wir auf nach Mounu Island. Eine perfekte kleine Insel mit Palmen und Sandstrand. Wir umrunden die Insel spazierend in ca. einer halben Stunde und quatschen mit der Crew der Sangwin, einem britisch/holländischen Boot. Wir beschließen nicht über Nacht zu bleiben, da der Ankerplatz zu wenig Schutz bietet. Es geht zurück nach Port Morell. Dort wird am nächsten Tag eine faszinierende Höhle mit Stalaktiten und schimmernden Lichtspielen an den Wänden besichtigt, bevor es wieder zurück zum Dorf geht.

Wir versorgen uns mit frischem und leiten unsere Ausklarierung für die Weiterreise in die Wege. Leider besteht der ignorante Beamte darauf, dass wir wieder an den berüchtigten Steg per Boot kommen, obwohl z.B. die Esperanza darauf verzichten konnte. Wir sind leicht ärgerlich, dass sich schlussendlich keiner für unser Boot am Steg interessiert, wir aber zwischen lauter quer zur Quaimauer verlaufenden Ankerleinen der Fischer herumzirkulieren müssen. Es kommt wie es kommen musste und wir verfangen uns in einer dieser Leinen. Zum Glück wickelt sie sich nicht um unsere Schiffsschraube und wir kommen nach ein paar dramatischen Momenten mit ein bisschen vor und zurück setzen wieder frei.

Wir hatten zwar eine schöne und interessante Zeit in Tonga aber zum ersten Mal auf der Reise gibt es keine Superlativen mehr...

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Kommentare: 4
  • #1

    dani (Sonntag, 04 Juni 2017 09:19)

    literarisch grossartiger beitrag, und wäre dass eine der unzähligen im TV wuchernden Serien würde ich bei dem Schluss schon auf die nächste woche hinzittern....."erstmals keine superlative mehr" und darunter dieser maximal superlative sonnenuntergang. liebe grüsse aus dem recht frühsommerlichen wien

  • #2

    Helene (Dienstag, 06 Juni 2017 11:48)

    Tonga hat euch also scheinbar nicht begeistert... aber so schlecht hört es sich für jemanden der in Wien im Büro sitzt auch wieder nicht an und die Fotos schauen auch nett aus. Ihr seit scheinbar zu verwöhnt :)

  • #3

    Alexander (Dienstag, 06 Juni 2017 21:42)

    mir gefällt der Beitrag auch sehr gut; wie Helene schreibt....so uninteressant erscheint mir Tonga nun auch wieder nicht...der Unterschied liegt wohl in Details, die man erlebt haben muss und für den Leser nur in Nuancen zu erahnen sind...Liebe Grüße
    P.S. nach einem schwülen Tag , nun abends etwas Regen und sehr angenehme 20 Grad

  • #4

    Vati (Freitag, 09 Juni 2017 20:30)

    Also - mir gefallen die Fotos auch sehr gut und es kommt mir vor als sei Tonga eine Mischung aus Karibik und Französich - Polynesien.
    30 jahre dort sind aber entschieden zu lang !!