Das achte Weltwunder?

Während andernorts Schrift und Rad erfunden wird, macht sich um ca. 3000 vor Christus irgend wo in Südostasien ein geheimnisvolles Volk auf, die Weiten des Pazifik zu erkunden und zur größten antiken Seefahrerkultur zu werden. Neben umfangreichen Kenntnissen in der Astronomie, einem hohen Organisationsgrad und Abenteuergeist waren dafür eine bis dahin (und lange danach) nicht erreichte Meisterschaft in Schiffsbau und Seemannschaft erforderlich.

Ausbreitung der "Lapita" Kultur ab 3000 v. Chr.
Ausbreitung der "Lapita" Kultur ab 3000 v. Chr.

Als ab dem 16. Jahrhundert europäische Schiffe beginnen die Pazifikregion zu erforschen war diese Hochkultur lange untergegangen. Die Anwesenheit von Menschen auf den entlegensten Inseln, die Verbreitung von Kulturpflanzen und archäologische Funde belegen aber diese erstaunliche, frühe Leistung. Die ungewöhnlichen, den europäischen Schiffen in manchen Bereichen weit überlegenen Boote auf denen die Einheimischen die eintreffenden Europäer begrüßen lassen erahnen, wie diese antiken Seefahrer ihre Meisterleistung vollbracht haben können.

Zum Glück waren die Europäer neugierig genug um systematisch Beschreibungen und Zeichnungen dieser Gefährte erstellt zu haben, denn mit dem wachsenden westlichen Einfluss geht diese alte Schiffsbautradition fast verloren.

Heutzutage gibt es neben diesen Aufzeichnungen der europäischen Entdecker nur noch sehr vereinzelt Beispiele für diese Boote in Museen. Daneben findet man noch einzelne Handwerker die einige der alten Techniken beherrschen.

Inspiriert von Thor Heyerdahls Reise mit seiner Kontiki (er ist im Jahr 1947 mit einem Balsafloss von Peru in die Tuamotus gesegelt) gibt es heutzutage eine kleine Gruppe von Begeisterten die versuchen die alte Seefahrertradition wieder aufleben zu lassen. Es werden eine Reihe von Rekonstruktionen von alten Schiffen gebaut und die Navigation mit Sternen wiedererforscht.

Ein "Voyaging canoe"
Ein "Voyaging canoe"

Mit diesen Nachbauten wurden dann längere Seereisen durchgeführt. Ein berühmtes dieser Schiffe ist die Hokule'a, mit der bereits in den 70er Jahren die Strecke von Hawai'i bis Tahiti zurückgelegt wurde. Später waren mehrere „Voyaging canoes“ zwischen der Südsee und Los Angeles unterwegs. Kürzlich ist wiederum die Hokule'a von ihrer Weltumsegelung zurückgekehrt.

Alle in der Südsee entwickelte Bootstypen sind sogenannte Mehrrumpfboote. Es handelt sich entweder um Katamarane (zwei identische Rümpfe) oder um Auslegerkanus (verschiedene Typen Proa, Drua,...) mit zwei unterschiedlich großen Rümpfen. Die Vorteile dieser leichten Konstruktionen sind ihre höhere Stabilität sowie das weitaus größere Geschwindigkeitspotential.

Hier in der Südsee wurde das so genannte Segeln mit dem scheinbaren Wind erfunden. Wenn ein Boot Fahrt aufnimmt wird der an Bord herrschende Wind um den Fahrtwind größer und kommt mehr von vorne. Dieser stärkere Wind hat wiederum mehr Vortrieb zur Folge. Mit diesem Prinzip können sehr hohe Geschwindigkeiten erreicht werden. Die momentan bestehenden Geschwindigkeitsweltrekorde unter Segel sind Großteils mit Mehrrumpfbooten erzielt worden.

Momentan liegen wir gerade in einer Bucht bei Suva, Fiji und gleich neben uns liegt die „i Vola Siga Vou“ eine sogenannte Drua, ein besonders interessantes Exemplar eines Nachbaus. Die beiden Rümpfe sind unterschiedlich groß und haben spezielle Funktionen. Der größere der beiden Rümpfe trägt den Mast und das Segel und wird immer in Lee gefahren (Lee = dem Wind abgewandte Seite). Der kleinere der beiden Rümpfe trägt die Plattform auf der die Bootscrew sich als Gegengewicht zum Segeldruck aufhält und wird immer in Luv gefahren (Luv = dem Wind zugewandte Seite). Um zu ermöglichen dass die beiden Rümpfe nun immer auf der richtigen Seite sind muss man ein bei den allermeisten Booten (/Fahrzeugen/Tieren aller Art) auf dieser Welt herrschendes Prinzip aufgeben. Nämlich dass vorne und hinten fix sind. Beim Kurswechsel wird also nicht gewendet oder gehalst (Drehen des Bootes durch den Wind), sondern es wird geshuntet. Bug und Heck werden vertauscht. Wer das jetzt nicht ganz verstanden hat muss sich nichts dabei denken. Es genügt sich zu merken, dass diese Boote revolutionär anders und genial sind. Das Ergebnis ist eine nicht mehr zu überbietende Effizienz. Selbst mit steinzeitlichen Materialien und Methoden sind mit diesem Prinzip Geschwindigkeiten von 17-25 Knoten möglich. Davon können die meisten modernen Fahrtensegler nur träumen.

 

Mehr Infos unter:

druaexperience.com

hokulea.com

Die „i Vola Siga Vou“ dahinter links die "Plastik Plankton"
Die „i Vola Siga Vou“ dahinter links die "Plastik Plankton"

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Kommentare: 4
  • #1

    Alexander (Mittwoch, 05 Juli 2017 08:54)

    Das ist ja hochinteressant!
    Die technischen Details sind sehr gut erklärt....wiewohl ich mir manches nicht ganz genau vorstellen kann. Jedenfalls danke auch für die Erklärung der Begriffe, die mir das Nachschauen erspart hat.
    Ein bei uns ja praktisch unbekanntes Kapitel der Menschheitsgeschichte!
    Liebe Grüße

  • #2

    Jakobus (Donnerstag, 13 Juli 2017 21:02)

    Sieht ja sehr skurril aus das Schiff. Da würde ich doch lieber auf einem klassischen Boot fahren. Dieses Voyaging canoe ist mir da doch deutlich geheurer. Ist das auf dem du sitzt so eines?

    Sehr geschichtlich ist der Beitrag auch das gefällt mir

  • #3

    Lukas (Donnerstag, 13 Juli 2017 21:15)

    Wow, sehr viel Recherche!

    Ihr solltet eine virtuelle Tour eures Schiffes hochladen.
    Das fände ich auch sehr interessant.

  • #4

    Vati (Sonntag, 30 Juli 2017 23:12)

    einiges gelernt - super !
    wie gross waren die alten Schiffe ?
    warum hat sich die Technik schlussendlich doch nicht durchgesetzt ?