Geschichten III Dirk und Igor

Wir sitzen gerade beim Banok-Sandwich im Deli eines kanadischen Auswanderers in Neiafu, Tonga da kommt eine kleine Gruppe in den Minigastgarten. Sie setzen sich zu uns an den einzigen Tisch und beginnen zu erzählen. Eigentlich reden nur die beiden Burschen, ihre Begleiterin kommt überhaupt nicht zu Wort. Es stellt sich heraus dass die beiden in Goa, Indien leben, dort aber unzufrieden  und in Tonga auf der Suche nach einem neuen Zuhause sind. Die Freunde sind sich zwar einig, dass ihre Situation in Indien im Vergleich zu früher schwieriger geworden ist, ansonsten haben sie aber unterhaltsam gegensätzliche Ansichten. Sie widersprechen sich ständig, fast wie bei der Muppet- Show.

 

Dirk

Dirk kommt ursprünglich aus Norddeutschland ist ca. Mitte 40 und schaut mit seiner Nickelbrille und den langen blonden Haaren aus wie ein Hippie. Mit breitem deutschen Akzent erklärt er auf englisch, dass ein Herr Mahdi In Indien die Macht übernommen habe, ein neuer Hitler. Hindus werden bevorzugt, Ausländer dagegen unterdrückt und vertrieben. Auflagen und Bürokratie machen es laut Dirk unmöglich eine Firma zu führen und davon auch noch zu leben. Er habe immer alle Auflagen korrekt erfüllt und eingehalten und den Papierkram ernst genommen. Mittlerweile sei mit dieser Arbeitsweise nichts mehr auszurichten. Er folgert dass Indien Ausländer wie ihn einfach loswerden will. Nach seinen Ausführungen hat man nicht mehr den Eindruck es mit einem Hippie zu tun zu haben, sondern eher mit einem teutonischen Paragrafenreiter der mit wenig Erfolg versucht Indien am deutschen Wesen genesen zu lassen.

 

Igor

 

Igor hingegen ist auch auf den zweiten Blick locker drauf. Sein Akzent lässt keinen Zweifel an seiner russischen Herkunft aufkommen. Mit seiner pragmatischen Art und den fragwürdigen moralischen Vorstellungen scheint er wesentlich besser an die chaotischen Zustände in Indien angepasst zu sein. Er erklärt, dass Mahdi, der indische Premier zwar die Hindus bevorzugt aber eine sehr weit gefasste Definition gebraucht. Jeder der sich mit Hindustan identifiziert unabhängig von seiner Religion und Herkunft wird eingeschlossen. Laut Igor gehe es Mahdi eher um den Zusammenhalt der Nation. Im Unterschied zu Dirk hat er keine Probleme mit dem Papierkram. Er besticht einfach die korrupten Beamten und lebt gut damit. Für ihn handelt es sich um eine win-win Situation. Er profitiere von der beschleunigten Erledigung und der Beamte habe auch was davon. Überhaupt laufe es in Russland genau gleich und er kenne gar nichts anderes. Dass in einer solchen, korrupten Gesellschaft nichts vorwärts geht und die armen Leute keine Chance auf einen sozialen Aufstieg haben, lässt er nicht gelten. Mit verschmitztem Grinsen hält er fest, dass in Russland keiner für solidarische Umverteilung sei, sondern jeder (auch mit krummen Methoden) versuche zu Wohlstand zu kommen. Wer dies schafft kauft sich ein teures Auto und kann sich sicher sein dass die Mädels zu ihm einsteigen. In Deutschland kann sich ja jeder einen Mercedes leisten und die Frauen haben keinen Anhaltspunkt für die Partnerwahl.

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Helene (Mittwoch, 09 August 2017 07:06)

    Hört sich nach lustigen Zeitgenossen an, wobei die Ansichten ja wirklich sehr verschieden sind. Deutsche Korrektheit trifft auf vermeintliches Chaos, das kann nicht gut gehen :)

  • #2

    Alexander (Montag, 14 August 2017 08:21)

    Interessante Menschen!
    Das was Dirk erzählt, scheint mir (wenn man den Zeitungsberichten trauen kann) nicht ganz aus der Luft gegriffen......
    Die russische Methode ist eigentlich nicht besonders sympathisch und sicher kein Modell dafür wie eine Gesellschaft auf Dauer funktionieren kann; klingt ein wenig wie diese unangenehmen osteuropäischen Neureichen.....jedenfalls interessant, wie Menschen ihr Leben gestalten und ein hohes Mass an Flexibilität aufbringen.